Hartes Brot

 

 

 

Beim ersten Familientag des ZSH für die Gedenkstätte Seelower Höhen ging es um das Thema Essen in Notzeiten

So passiert es oft an diesem Tag in der Gedenkstätte Seelower Höhen: skeptischer Blick von Müttern, Vätern, Kindern. Zurückweichen, Zuhören und dann doch Zugreifen, Probieren. Reaktionen zwischen Ekel und Begeisterung – es ist alles dabei. Eichelkaffee, Kartoffeltorte, Buchweizengrütze mit Salzhering? Neeee!!! Und dann: sooo schrecklich ist dieser Kaffee gar nicht, die Kartoffeltorte wird zum Hit; da wandert das Rezept mehrfach zu den Besuchern. Eindeutiger kulinarischer Tiefpunkt ist das Notzeitbrot mit 50% Sägemehlanteil, Aussehen und Grip einer Spanplatte und im Abgang ebenso bitter sowie zäh-klebrig dazu.

 

Krieg lässt sich schmecken

Für die blockierten Leningrader gab es derlei Backwerk, wenn es das überhaupt gab, mit 80% Holzzusatz. Wir haben uns die Klötze nach Originalrezept von den Alt Tuchebander Feldbäckern um Jörg Schenk gewissermaßen herstellen lassen. Näher dran am Original geht es kaum. Essen, Nahrung, Lebensmittel – in Krieg und Nachkrieg knapp und daher für Soldaten und Zivilisten oft Thema Nummer eins. Das interessiert auch heute. Und das lockt dann auch ganze Familien in die Gedenkstätte Seelower Höhen. Genau dafür hat sich der Zeitreise Seelower e.V. dieses Format ausgedacht. Auf dem einstigen Aufmarschplatz und Ort für hochtrabende Schwüre stehen Töpfe mit einfachen Gerichten. Kriegsrezepte mit wenigen Zutaten, oft Ersatz für Besseres, Begehrteres, Geeigneteres. Gekocht haben es der Inhaber des „Oderblicks“ in Lebus und Vereinsmitglieder. Neben den Gerichten gibt es zahllose Informationen über das Essen im Krieg. Befehle und Verordnungen machen die Zuteilungen und Rationierungen deutlich. Bilder zeigen Soldaten beider Seiten ihre kargen Mahlzeiten in den Schützengräben verdrücken. Um sie herum das Chaos der Schlachtfelder. Oft lächeln sie. Weil es was zu futtern gibt, und weil ein Fotograf die Szene einfängt. Wer etwas zum Beißen hat, der hat gut Lachen.

 

Für den Hunger nach Geschichte

Das, was wir alle heute jeden Tag so fraglos tun, nämlich essen, ist damals vor allem eines – ein Problem. Und das heißt in Notzeiten oft genau das Gegenteil: Darben und Hungern. Anknüpfend an die heutigen Alltäglichkeiten lässt sich das Verständnis für das Gestern leichter wecken. Jeder isst – vorzugsweise das, was ihm schmeckt. Damals geht es oftmals allein ums Sattwerden, irgendwie. Auf das Gramm genau lassen sich die Portionen real abwiegen und jeder kann abschätzen: reicht mir das für den ganzen Tag?!?

In Seelow gibt es an diesem Tag sicher eines: Erkenntnisportionen für die Wissbegierigen und Probierfreudigen. Diese Happen sättigen so manchen Geschichtshunger besser als ein Buch. Oder besser: machen Appetit darauf!

T.Voigt/E.Holland

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