Premiere im Oktober

Mit dem Kriegsveteranen Wolf-Dietrich Kroll und vielen Gästen sind wir im Oderbruch
unterwegs – bei der ersten Tour zum Einsatz der 9. Fallschirmjägerdivision in der
Schlacht um die Seelower Höhen.

Die Premiere beginnt auf dem Krugberg, vor dem weitläufigen Panorama des Bruchs, bei
schönstem Wetter. Weit schweift der Blick über das Land, dass vor 76 Jahren ein Schlachtfeld
ist. Auf einem kleinen Teil davon versucht damals eine Division deutscher Fallschirmjäger
das Unaufhaltsame abzuwenden. Das ist, wie überall an dieser Front, vergeblich. Nur wenige
von ihnen überleben den Einsatz in der größten Schlacht auf deutschem Boden am Ende des
Zweiten Weltkriegs in Europa. Und kaum jemand von ihnen ist heute noch am Leben. Wolf-
Dietrich Kroll ist einer der letzten, die davon berichten können. Er möchte mit dabei sein, sagt
er im Vorfeld, von Anfang an. Die Vergangenheit beleitet uns an diesem Tag, persönlich. Ein
seltenes Geschenk.
Mit 17 Jahren kommt Kroll in den Graben. Seine Kameraden sind oft genau so jung wie er. Er
wird sie sterben sehen, sie und auch die älteren, erfahrenen Fallschirmjäger, die auf Kreta und
in Monte Cassino dabei waren. Legenden sind keine Lebensversicherung. Im April 1945
macht der Tod keine Ausnahmen mehr. Er nimmt jeden. "Wir Jungen waren gar keine echten
Fallschirmjäger", erklärt Kroll. Hastig rekrutiert, kaum ausgebildet und nie gesprungen. Das
letzte Aufgebot der Luftwaffe wird zwar in die markanten Fallschirmspringer-Uniformen
gesteckt, aber für Luftlandeoperationen gibt es gar keine Optionen mehr. Es mangelt an
Transportflugzeugen und Sprit. Das "tausendjährige Reich" ist auch bereits so klein
geworden, das es Mühe bereiten würde, nicht daneben zu landen.
"Führer, Volk und Vaterland" erwarten von Wolf-Dietrich Kroll keine spektakulären
Luftlandeoperationen, keine Husarenstücke, keine legendären Aktionen. Nichts von dem, für
was die "Grünen Teufel", wie sie die NS-Propaganda jahrelang hochgejubelt hat, steht 1945
auf der Tagesordnung. Am nahen Ende kauert die einstige Spezialtruppe im Dreck des
Oderbruchs zusammen mit anderen, wild gemischten Waffengattungen, meist ohne Erfahrung
im infanteristischen Kampf. Arme Teufel auf dem Boden der Tatsachen. Die Division ist ein
Geschenk Görings an den "Führer". Dafür lässt der Reichsmarschall und Chef der Luftwaffe
eben diese bis zum letzten Mann auskämmen und den neuen Verband an die Front werfen.
Aus einer Vielzahl historischer Quellen vermitteln wir unserem Gästen ein Bild der Zeit, des
Einsatzes dieser Division, ihrer Geschichte und ihres Endes. Wolf-Dietrich Kroll ist immer
mit dabei – einziger Zeuge seiner Zeit. Unsere vielen Gäste haben viele Fragen an den
Menschen aus der Vergangenheit. Kroll ist Mitte 90, erzählt, erklärt, beschreibt. Erlebnisse,
Eindrücke, lang Verdrängtes. Seine Erinnerung kann viele Lücken nicht füllen. Auf manche
Frage der Heutigen hat er keine Antwort. Das gibt er immer offen zu. 1945 ist er ein Teenie in
Uniform, an einem winzigen Abschnitt der Front, als einfacher Gefreiter. Keine Zeitung, kein
Radio. Und die Älteren plaudern nicht gerade mit den Jungen. Schon gar nicht über die
Kriegslage.
Im Graben wälzt niemand die Probleme der Weltgeschichte, die für uns heute kein Geheimnis
mehr sind. Sinn und Unsinn stehen für den jungen Kroll nicht auf der Waagschale. Er wächst
im Nationalsozialismus auf. Erzogen zur Gläubigkeit an System und Führer. Im Graben zählt
allein das Überleben. Mit Abstand kommen Essen und Schlaf, und die Notdurft. Alles unter
freiem Himmel und mit den Stiefeln in der nassen Oderbrucherde auf der Grabensohle. Im
Bereich seiner damaligen Stellung bei Golzow beschreibt uns Wolf-Dietrich Kroll die

Situation der Soldaten. Heute wie damals sind hier Felder und einzeln stehende Gehöfte.
Weites Land, auf dem der Feind einst ganz nah ist. Bilder in den Köpfen entstehen da, wo sie
Realität waren. Was er erlebt hat, das bewegt Wolf-Dietrich Kroll noch immer, sichtlich und
tief. Die Toten, das Sterben der Vielen, das Überleben der Wenigen. Der Friede in Europa ist
die Konsequenz daraus. Sich nicht mehr gegenseitig umbringen. Kroll zeigt uns, wie wichtig
das ist.